Es weihnachtet sehr!

Manchmal hält das Leben wunderbare Überraschungen für uns bereit.
Stellen Sie sich vor, Sie sind Lehrer oder Lehrerin und fragen Mitte November bei den Schüler*innen nach, ob sie am 23.12.2022, also dem ersten Tag ohnehin sehr kurzer Weihnachtsferien, mitkämen zum Adventslesen. Wenn Sie dann in kürzester Zeit 18 Namen auf Ihrer Liste haben, dann reiben Sie sich vor Glück die Augen.
Leider können vier Schüler*innen dann doch nicht dabei sein – Krankheit, ein Reisetermin.
Aber die 14 anderen stehen um 13:45 Uhr erwartungsvoll vor dem Friseur-Geschäft von Gabriele Edinger. Wenig später kommen die Schüler*innen am Haupteingang des DRK-Seniorenzentrums an der Feuerwache an. Schnell sind drei Gruppen gebildet, die sich auf zwei Häuser des betreuten Service-Wohnens aufteilen. In einem Haus gibt es zwei Gruppen auf verschiedenen Etagen… Schöner kann Musizieren an Weihnachten kaum sein: Die Cello-Klänge von oben verbinden sich mit den Melodien der Geige aus dem Erdgeschoss. Es weihnachtet sehr!
Die Kinder und Jugendlichen kommen aus allen Altersstufen. Die jüngsten Teilnehmer gehen in die 5. Klasse, die ältesten stehen kurz vor dem Abitur. Sie haben Weihnachtsgeschichten von mehr oder weniger bekannten Autoren mitgebracht, pfälzische Gedichte zum Fest, auch selbst geschriebene Geschichten und Gedichte, Weihnachtslieder und andere Musikstücke, die gut zum Fest passen.
Wäre jetzt Vorlesewettbewerb, wüsste man nicht, wem man den Preis geben sollte. Alle lesen so, dass die Zuhörer*innen Bilder vor Augen haben, ganz in die Geschichte oder das Gedicht hineinfinden. Nach dem offiziellen Teil entwickeln sich Gespräche, rezitiert ein hochbetagter Herr
Fausts Eingangsmonolog und Auszüge aus Paul Münchs „Die pälzisch Weltgeschicht“, erzählt vom Krieg und seinen Urenkeln. Die jüngeren Schüler*innen machen sich danach auf den Nachhauseweg, voller Eindrücke und mit dem Gefühl, dass Weihnachten nun wirklich kommen kann.
Die älteren Schüler*innen haben noch zwei Hausbesuche bei alten Damen im Goethe-Viertel zugesagt. „Ihr seid so lieb! Dass Ihr an diesem Tag zu mir kommt! Ihr könntet ganz woanders sein.“
Allein für diese Worte einer über 90 Jahre alten Frau hat sich der Einsatz schon gelohnt. Der Junge an der Geige erinnert Mutter und Tochter an den Enkelsohn, der auch einmal 14 Jahre alt war.
„Du spielst wunderbar! Danke!“ Und wenn sich vor Rührung die Tränen nicht mehr unterdrücken lassen – dann kann das Fest kommen. Dann „weihnachtet es sehr“.

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